Sonntag, Mai 06, 2018

Interreligiöser Rundbrief Nr. 2018-02 (06.05.2018)


Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach.
                Bibel, Lukas 9, 23 (
http://bibeltext.com/luke/9-23.htm geöffnet am 6.5.2018)

In diesem Zeichen wirst du siegen.
Überliefert durch Eusebius von Caesarea in der Vita Constantini (vgl. Wikipedia-Artikel: In hoc signo vinces, https://de.wikipedia.org/wiki/In_hoc_signo_vinces, geöffnet am 6.5.2018)
           

Liebe Leserinnen und Leser,

welch ein Unterschied zwischen diesen beiden Zitaten! Das erste soll aus dem Mund Jesu stammen und das zweite aus dem Munde Gottes höchstpersönlich. Adressaten des ersten waren die Jünger Jesu, die erst erklärt bekommen mussten, was es bedeute, Jesus nachzufolgen, nämlich durch das Leid hindurchzugehen, das die Behandlung durch machtgierige Menschen mit sich bringt. Das wäre zumindest eine Interpretationsmöglichkeit. Adressat das zweiten soll Kaiser Konstantin gewesen sein, der kurz vor der Schlacht gegen seinen Kontrahenten bei der Gier nach Macht über das gesamte Römische Reich, Maxentius, nach göttlichem Beistand suchte und nach besagten Worten, das Zeichen, das er in der Sonne sah, das Kreuz, auf die Schilde seiner Soldaten malen ließ.

Welchem der beiden Anlässe scheint Ihnen die Verordnung, überall Kreuze in öffentliche Gebäude zu hängen, die nun in Bayern in Kraft getreten ist, ähnlicher zu sein?

Das Kreuz als staatliches Hoheitszeichen ist ja nichts Neues. Die Flaggen der skandinavischen Länder, Großbritanniens, der Schweiz, Kroatiens, Griechenlands und Maltas tragen Kreuze, ebenso die Fahr- und Flugzeuge der deutschen Bundeswehr. Andere Flaggen tragen Mondsicheln oder das islamische Glaubensbekenntnis, den Davidstern oder andere religiöse Symbole. Die Trennung von Staat und Religion ist keineswegs selbstverständlich, auch nicht dort, wo man sich zu ihr bekennt. Sie ist eine Errungenschaft oder zumindest ein Postulat der säkularen Moderne. Ob man Jesu Aufforderung, dem Kaiser und Gott je das Seine zu geben, als Vorläufer dieser Trennung sehen kann, ist wieder eine Frage der Interpretation.

Ministerpräsident Söder will beides ja voneinander trennen, indem er behauptet, das Kreuz sei in diesem Zusammenhang kein religiöses, sondern ein kulturelles Symbol oder eines für die Werte des Freistaates Bayern und der Bundesrepublik Deutschland. Sind das vielleicht die Werte, die in Jesu Bergpredigt überliefert wurden? Wohl kaum, dann wäre die Politik, die sich auf sie beruft, nicht so ausgrenzend gegenüber Menschen mit anderen kulturellen Wurzeln und Identitäten.

Und welche Werte vertreten die sieben römisch-katholischen Bischöfe, die evangelischen Christ*innen die gemeinsame Eucharistie mit ihren katholischen Ehepartner*innen vorenthalten wollen? Sie fordern, dass, wer die Heilige Kommunion empfange, das richtige, also römisch-katholische Eucharistieverständnis habe, was bedeutet, er*sie soll darin nicht ein Erinnerungsmahl an das letzte Abendmahl Jesu sehen (was reformatorisch wäre), auch nicht nur das für die Zeit des Gottesdienstes in Leib und Blut Christi verwandelte Brot und Wein (was lutherisch wäre), sondern das durch den sakramentalen Akt auf Dauer in Leib und Blut verwandelte Brot und Wein sehen. Wer das tue, dürfe teilnehmen, aber der*die könne ja dann auch gleich katholisch werden. Hängt es also von diesem Verständnis dieses Rituals ab, ob man teilnehmen darf oder nicht? Wie sieht es dann mit all den Katholiken aus, die nicht auf diese Weise daran glauben, die vielleicht gar nicht mal um diese Dogmatik wissen? Müsste nicht eigentlich der Priester oder der*die Kommunionshelfer*in beim Austeilen der Hostie den*die die Hand oder den Mund aufhaltenden Empfangsbereite*n nach der jeweiligen Sicht auf diese Frage befragen? Also ich wurde noch nie weggeschickt und exkommuniziert, obwohl ich so nicht daran glaube. Ich denke, das gäbe einen nicht geringen Mitgliederschwund, wenn man die Kirchenmitglieder exkommunizieren würde, die diesen Glauben so nicht teilen. Warum lädt man nicht einfach alle ein, mit zu kommunizieren und überlässt es jedem*jeder selbst, wie er*sie das Ritual interpretiert? Dann würde sich niemand ausgeschlossen fühlen.

Und wie sieht es aus, wenn man Menschen ausgrenzt, die ein ihnen religiös wichtiges Kleidungsstück tragen, sei es eine Kippa, sei es ein Kopftuch? Klar kann man auch fragen, warum jemand seine eigene Religiosität oder Religionszugehörigkeit in einem Kleidungsstück kenntlich machen will. Fragen darf man das, jemanden deswegen anfeinden darf man nicht, wenn man selber das Grundgesetz hochhält oder aber auch die koranische Hochachtung vor Juden und Christen. Das muss natürlich alles wieder interpretiert werden, aber warum interpretiert jemand seine Heilige Schrift oder seine Verfassung so, dass er sich durch sie berechtigt oder gar verpflichtet fühlt, Andersgläubige anzufeinden und auszugrenzen? Da muss doch anderes im Busche sein! 

So wie im Falle der religiösen Symbole in staatlichen Gebäuden von Instrumentalisierung von Religion die Rede sein kann, so sehe ich auch in solchen Ausgrenzungen und Anfeindungen, die religiös begründet werden, eher einer Instrumentalisierung. Oft kann man wirtschaftliche Gründe finden, sei es Profitgier oder Angst vor wirtschaftlichem Abstieg, teils auch eine eher auch psychologisch erklärbare Angst vor Fremdem. Evolutionsbiologisch – so las ich es im Geoheft 12/2017 – ist uns eine Kleingruppensolidarität angeboren und hat über Jahrhunderttausende für den überlebensnotwendigen Zusammenhalt innerhalb der Kleingruppen gesorgt, also soziales Verhalten innerhalb der Kleingruppen gefördert, zugleich aber für Abgrenzungen gegenüber anderen Kleingruppen, die als Konkurrenten oder gar Feinde galten. Das erklärt sicher nicht alles, aber einiges. Ich stelle mir nun vor, dass die ethischen Lehren der Religionen wie Christentum, Islam und Buddhismus, die der Religionswissenschaftler Gustav Mensching als Universalreligionen bezeichnet hat, weil sie sich nicht auf ein einzelnes Volk beschränken, sondern universale Ansprüche für alle Menschen haben, diese Kleingruppensolidarität in eine globale Solidarität verwandeln könnten. Das tun sie ja zum Teil auch, aber für viele Gläubige bildet dann die zwar global verbreitete eigene Religionsgemeinschaft einen Ersatz für die Kleingruppe und die anderen Religionen werden als Konkurrenten oder gar Feinde wahrgenommen. Und viele wollen ihre Religion zudem untrennbar mit ihrer ethnischen Identität verbinden, so dass dann ein richtiger Deutscher ein Christ, ein richtiger Türke ein Muslim und ein richtiger Myanmarer ein Buddhist ist.

Aber es gibt ja auch andere Tendenzen. So wird derzeit in Berlin an einem „House of One“ gebaut, das zumindest für die drei abrahamischen Religionen Judentum, Christentum und Islam ein gemeinsames Gotteshaus darstellen soll. Warum die Bahá’í da nicht dabei sind, mag man fragen, und warum dem Monotheismus gegenüber anderen Konzepten so ein Vorrang eingeräumt wird, auch, aber man darf auch nicht gleich zu viel erwarten. So eine „mittlere Ökumene“ ist ja immerhin besser als gar keine.

Nachdem auf den letzten interreligiösen Rundbrief so viele interessante Leser*innenbriefe kamen, möchte ich auch diesmal dazu ermuntern, mir und den Leser*innen mitzuteilen, wie Sie darüber denken. Wie sehen Sie die hier angesprochenen Themen rund um die Ausgrenzung von Menschen anderen Glaubens oder anderer Interpretation von Ritualen und Symbolen oder die Instrumentalisierung von Religion für politische Zwecke?

Leser*innenbriefe sind also wieder willkommen!     


Hier noch ein paar Links zu Lesens- und Hörenswertem:

-          Thomas Migge. Katholische Kirche. Die Ehe, die Evangelischen und der Papst: Deutschlandfunk, 16.4.2018: http://www.deutschlandfunk.de/katholische-kirche-die-ehe-die-evangelischen-und-der-papst.886.de.html?dram:article_id=415480

-          Jens Rosbach. Migrantischer Antisemitismus. "Es ist kein Medienhype, es ist die Spitze des Eisbergs": Deutschlandfunk, 25.4.2018: http://www.deutschlandfunk.de/migrantischer-antisemitismus-es-ist-kein-medienhype-es-ist.886.de.html?dram:article_id=416387

-          Ursula Nothelle-Wildfeuer im Gespräch mit Benedikt Schulz. Kreuz-Debatte. "Söder macht das Kreuz zum Bayern-Logo". Deutschlandfunk, 26.4.2018: http://www.deutschlandfunk.de/kreuz-debatte-soeder-macht-das-kreuz-zum-bayern-logo.886.de.html?dram:article_id=416545

-          Geo-Magazin 12/2017; https://www.geo.de/magazine/geo-magazin/27789-geo-magazin-nr-12-2017-wie-gut-sind-wir-wirklich  

-          Sabine Froese. Editorial. Folker 3-2018: https://www.folker.de/ausgaben/201803/index.php

-          House of One: https://house-of-one.org/de

(Alle Links geöffnet am 6.5.2018.)
(Geschrieben am 4. und 6. Mai 2018.)


Herzliche Grüße!
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung:
https://interreligioeser-rundbrief.blogspot.de/
Interreligiöses Friedensnetzwerk für Bonn und Region:
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