Freitag, März 30, 2018

Interreligiöser Rundbrief Nr. 2018-01 – Leserbriefe


Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung Nr. 2018-01 – Leserbriefe (30.03.2018)
Liebe Leserinnen und Leser,

im Interreligiösen Rundbrief Nr. 2018-01 vom 27.03.2018 fragte ich nach Ihren Meinungen zur Karfreitags- und zur Sonntagsruhe beziehungsweise zu den Forderungen nach deren Abschaffung.
Dazu kamen nun einige Leser*innenbriefe, die ich Ihnen in der Reihenfolge der Ankunft bei mir hier zu lesen gebe:


1.
Lieber Michael,

ohne Deinen Interreligiösen Rundbrief im Anhang schon gelesen zu haben, erst einmal danke für Deine hinführenden Gedanken und ein kleiner Beitrag zur Karfreitagsfrage:

Was würden die Jungen Liberalen und die Grüne Jugend machen, wenn sie nicht jedes Jahr am Karfreitag mit Flashmob und anderen Aktionen, die eine extrem heilsame Wirkung für das postpubertäre Selbstbewußtsein und die kollektive Identität der peer group haben müssen, gegen das Karfreitagsruhegebot anrennen könnten? Es gibt ja nun fast keine Tabus mehr und sich im öffentlichen Bereich manifestierende Phänomene nicht-christlicher Religionen zu kritisieren, passt entweder nicht in das politisch korrekte Selbstkonzept genannter Gruppen oder ist mit gewissen Risiken verbunden. Wie schön ist es da doch, seine gesamte aufgestaute Aggression einmal im Jahr gegen das spießig-biedere, konservative und an allem Übel dieser Welt schuldige Christentum entladen zu können - und das ganz ohne die Gefahr, irgendwelche größeren Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Eine eventuelle Verwarnung durch das Ordnungsamt trägt man dann gern ein Leben lang als Heldenorden auf der Brust, begleitet mit den Worten, wie mutig und progressiv man doch gewesen sei als junger Mensch. Aus diesem Grund also muss die Karfreitagsruhe aufrechterhalten werden.

Herzliche Grüße
Jochen“

(von Jochen R. aus Bonn)


2.
„Lieber Michael,

bitte achte auf die Formulierung:

Niemand will ernsthaft Sonntage abschaffen, es gibt nur Leute die dann gerne shoppen oder arbeiten wollen, aber die Woche selbst will niemand auf 6 Tage verkürzen;-)
Ich bin da zwar für Lockerungen, aber nicht für eine Aufhebung, also eher ein Kompromisskandidat. Struktureller Vorteil des Ruhetags ist etwa, dass dann kaum LKWs fahren, so dass wichtige Fahrten dann besser gehen etc.

Aber vor allem: Schön wieder einen Rundbrief bekommen zu haben!

Herzliche Grüße
Gerald“

(von Gerald Volker Grimm aus Bonn)


3.
Ja, vielen Dank. Interessante Gedanken!

Wir gründen aktuell einen Bundesverband für „Pantheisten“. Manche wollen eine ganz neue Religion schaffen.

Andere wollen es wie eine Art „Freimaurer-Loge“ parallel zu den Kirchen laufen lassen, wo man weiterhin aktiv sein kann.

Auch ich finde es eigentlich albern, dass Nicht-Kirchenmitglieder an einem Sonntag frei haben, ebenso Weihnachten und Ostern oder die anderen Feiertage wie Pfingsten etc. Auch dass sie Weihnachtsgeld erhalten usw.

Es ist zwar Tradition, aber wenn eine Mehrheit gar nicht mehr Mitglied in der Kirche ist, warum sollten sie dann von diesen Feiertagen profitieren?

Das leuchtet mir nicht ein…

Aber: Es ist auch schwierig hier einen Weg zu finden.

Natürlich sollte ein Tag der Ruhe und der Familie gelten.

Wovor ich keine Angst hätte, ist die Konkurrenz kleiner Geschäfte zu großen Geschäften.
Wenn es sich sonntags nicht lohnt, würden die Großen auch zulassen.
Schon jetzt haben die kleinen Läden nur bis 18.30 Uhr geöffnet und die großen Geschäfte bis 20 oder 22 Uhr.

Ist das ein Problem?

Ein Problem für die Innenstädte ist der 24-Stunden-Einkauf per Knopfdruck, von der Couch aus, bei Amazon und Ebay.
Das hat allen Geschäften sehr geschadet!

Mit bestem Gruß
Martin Sagel“

(von Martin Sagel aus Kerpen)


4.
Hallo Michael,

danke für Deine Betrachtungen bzgl. des christlichen Glaubens und seiner ‚Konsequenzen‘.
Der christliche Glaube verliert immer mehr an Bedeutung. Leere Kirchen, Kirchenaustritte, Leben unter Missachtung der 10 Gebote, zunehmender Materialismus, Egoismus und Nihilismus.

Welche Erfolge kann in diesen Zeiten die christliche Kirche vorweisen?

Es wird allerhöchste Zeit für eine erneute Reformation. Sind aber die verschiedenen christlichen Glaubensrichtungen uniformierbar?                                                                                                                                                             
Wenn sich die christliche Kirche nicht reformiert, wird sie nur noch ein Zufluchtsort für ‚Unverbesserliche‘ sein.

Christliche Feiertage für überzeugte Christen.

Sonntage für alle.

Liebe Grüße – auch an Petra
Helmut“

(von Helmut Bleifeld aus Neurath)



5.
Lieber Herr Schmiedel !

Wie schön, daß man wieder etwas von Ihnen lesen kann. Man darf dem Agenda setting der Boulevardpresse nicht kommentarlos nachgeben. Noch sind die A-Religiösen nicht in der Mehrheit. Ich kann meinen muslimischen Freunden kaum erklären, wie sich die Gesellschaft entwickelt. Die aggressive Negation der Transzendenz spielt den Radikalen in die Hände, so daß unsere Praevention ins Leere zu laufen droht. Ein französischer Philosoph schrieb neulich, daß das lateinische Europa eine transzendentale Leere entstehen ließ, die von niemandem gefüllt wird?

Dennoch, ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein gesegnetes Ostern!

Herzilch!

Wolf Ahmed Aries“

(von Wolf Ahmed Aries aus Hannover)


6.
„Lieber Michael,

auch als Humanist kann ich Deinen Ausführungen nur zustimmen!

Bis auf bald
Marianne

Und - einen ruhigen, besinnlichen Karfreitag und frohe Ostern
wünsche ich Dir und Deinen Lieben ganz herzlich!“

(von Marianne Horling aus Bonn)

7.
„Hi, lieber Michael,

[…]

Inhaltlich dazu: Mein Vater hat uns auch immer verboten, am Karfreitag Musik zu hören, für ihn war das vor allem eine tolle Gelegenheit, sich über Leute zu empören. Er war eh immer sehr unausgeglichen. Mit Religion hatte das meiner Ansicht nach nix zu tun. Religion wird ständig instrumentalisiert. Ich habe daraus für mich die Konsequenz gezogen, nirgendwo Mitglied sein zu wollen, auch weil mir die Regeln der Gemeinschaften vielfach nicht einleuchten (manche Regeln schon, viele nicht). 

Was den Sonntag angeht: Viele arbeiten dann eh schon. Selbst in der Türkei, die wahrlich nicht christlich ist, ist der Sonntag ein besonderer Tag, auch wenn viele Geschäfte offen sind. Es kommt immer sehr drauf an, wie der einzelne damit umgeht. Nur weil sonntags die Läden aufhaben, muss ich übrigens noch lange nicht einkaufen. Wenn ich den ganzen Tag in Schlabberhosen vor der Glotze hängen will, hält mich keiner ab. 

[…]

Es winkt die Ines, […]“

(von Ines Körver aus Berlin)


Soweit die Leserbriefe.

Den Radiobeitrag, „Stille Feiertage. ‚Tanzt den Karfreitag!“ im Deutschlandfunk vom 27.03.2018, der mich zu diesem Rundbrief angeregt hat, können Sie hier lesen und hören:
http://www.deutschlandfunk.de/stille-feiertage-tanzt-den-karfreitag.886.de.html?dram:article_id=413999 (aufgerufen am 30.09.2018).

Nun wünsche ich allen, die es feiern, einen besinnlichen Karfreitag und dann ein frohes Osterfest und/oder ein gesegnetes Pessachfest!
Und wer es nicht feiert habe einfach ein schönes Wochenende!

Herzliche Grüße!
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung
http://interreligioeser-rundbrief.blogspot.de/
Interreligiöses Friedennetzwerk Bonn und Region
https://ifn-bonnregion.jimdo.com/
Und wer Lust auf meinen Irland-Reise-2017-Bericht hat:
http://www.rockmode.de/index.php?topic=6577.msg102148#msg102148 (Etappe von Ennis nach Doolin; die anderen Etappen davor; Fortsetzungen kommen noch)






Dienstag, März 27, 2018

Interreligiöser Rundbrief Nr. 2018-01


Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung Nr. 2018-01 (27.03.2018)
Der Karfreitag ist nicht das Dunkel, das dem Licht unbedingt weichen muß. Es ist der Tag, an  dem der Mensch gewordene Gott, die Person gewordene Liebe umgebracht wird von den Menschen, die zu Göttern werden wollen.
              Dietrich Bonhoeffer (http://www.dietrich-bonhoeffer.net/zitat/id/96/; geöffnet am 27.3.2018)

Liebe Leserinnen und Leser,
meine interreligiösen Rundbriefe werden immer seltener, aber jetzt kam mir eben beim Hören eines Radiobeitrages ein spontanes Mitteilungs- und Nachfragebedürfnis:

Wie stehen Sie eigentlich zu den kirchlichen Feiertagen, insbesondere jetzt in der Karwoche zu Karfreitagsruhe? Wie stehen Sie dazu, dass am Karfreitag – im Detail nach Bundesland verschieden, aber generell dennoch – Tanz- und Musikveranstaltungen und auch Kino, Theater usw. der Würde des Tages angemessen sein müssen, auch wenn die, die solche Veranstaltungen veranstalten oder besuchen, gar keine Christ*innen sind, also den Karfreitag gar nicht begehen?

Es gibt weniger von nichtchristlich-religiöser als von nichtreligiös-humanistischer Seite her immer wieder Vorstöße, man solle diese staatliche Bevorzugung des Christentums und kirchlicher Feiertage abschaffen. Sie seien diskriminierend gegenüber Menschen, die damit nichts anzufangen wissen. Manche gehen noch weiter und wollen die Sonntage als allgemeine arbeitsfreie Tage abschaffen. Sie sagen, Christ*innen könnten sie ja feiern, wie sie es wollen, aber anderen dürfe man sie nicht aufzwingen.

Ich selber bin übers Jahr ein seltener Kirchgänger. Jetzt in der Karwoche ist das anders, da besuche ich von Palmsonntag bis zur Osternacht vier Gottesdienste, hauptsächlich römisch-katholisch, aber manchmal auch evangelisch. Ich denke anlässlich der Erinnerung an die Leiden Jesu an all die Leiden, die Menschen immer noch einander antun. Und an die Hoffnung, dass es eine Erlösung geben möge, sei es eine Auferstehung oder ein Verwehen, denn ich bin ja christlich und buddhistisch sehr beeinflusst in meiner Religiosität. Gestern noch bei einem IFN[1]-Treffen meinte Pfarrer Dirk Voos von der EMFA[2] – die wir gestern als 16. IFN-Mitglied aufnahmen – Religionen thematisierten ja allgemeine menschliche Themen, so dass auch Karfreitag nicht nur für Christ*innen ein möglicher Besinnungstag sein könnte. Nun brauche ich persönlich für meine Besinnlichkeit aber keinen allgemein ruhigen Feiertag, wenn auch die leereren Straßen an diesem Tag und die größere Stille in der Stadt meiner Besinnlichkeit guttun. Mich stört es aber nicht, wenn andere Menschen Musik machen oder hören oder ins Kino gehen oder so.

Anders ist es mit den Sonntagen. Ich bin ganz entschieden dagegen, Sonntage abzuschaffen! Zwar gehe ich kaum einmal sonntags in die Kirche, aber ich genieße die Ruhe auf den Straßen, denn wir wohnen an einer Hauptverkehrsstraße, und sonntags ist da spürbar weniger Verkehr, wenn nicht eine Großveranstaltung Autofahrer in die Stadt lockt. Und ich finde es vollkommen richtig, dass die meisten Geschäfte sonntags zu sind. Sollte die Ladenschlusszeiten „liberalisiert“ werden, würden doch nur die großen Geschäfte genug Personal haben, ihre Läden sonntags zu öffnen, während kleinere Betriebe sich das nicht leisten könnten. Es wäre also eine Wettbewerbsverzerrung. Denn jeder Mensch braucht Ruhe und Erholung, und ein gemeinsamer Ruhetag in der Woche tut Familien und auch Betrieben gut. Wir sind schon flexibilisiert oder liberalisiert genug im Dienste der Geschäftemacherei. Diese so genannte Liberalisierung würde letztlich Freiheit kosten.

Wir sind eine demokratische Gesellschaft, so dass letztlich das Volk mündiger Bürger entscheiden sollte. Das ist für mich klar. Aber einer Entscheidung gehen Argumente voraus, und ich argumentiere für eine Beibehaltung des Sonntags und eine lockerere Haltung, was den Karfreitag angeht. Oder anders gesagt: Geschäfte sollten zubleiben, Unterhaltungsveranstaltungen sollten am Karfreitag erlaubt sein, wo sie nicht eine Mehrheit von Menschen stören, die den Tag lieber ruhig und besinnlich begehen wollen. 

Und was meinen Sie? Leser*innenbriefe sind willkommen und werden gerne veröffentlicht.


Sonntag ist’s
ein heil’ger Frieden liegt auf Erden weit so weit,
Sonntag ist’s in allen Herzen,
Sonntag ist’s für alle Schmerzen
heil’ger Sonntag weit und breit.
                                    aus einem Kalenderblatt vor vielen Jahren

Herzliche Grüße!
Ihr/Euer Michael A. Schmiedel

Interreligiöser Rundbrief für Bonn und Umgebung:
https://interreligioeser-rundbrief.blogspot.de/
Interreligiöses Friedensnetzwerk für Bonn und Region:
https://ifn-bonnregion.jimdo.com/


[1] Interreligiöses Friedensnetzwerk Bonn und Region
[2] Evangelische Migrations- und Flüchtlingsarbeit